Netzwoche - Fachartikel
Die Schweiz im KI-Zeitalter – lokal trainieren, global agieren.
Die politische Neutralität der Schweiz könnte sich erneut als entscheidenden Vorteil erweisen. Unabhängige KIs werden für die Wirtschaft sowie den öffentlichen Sektor eine signifikante Rolle spielen. Dafür braucht es eine neutrale, vertrauenswürdige Instanz für Datenmanagement und KI-Training – einen «sicheren Hafen» in einer oft polarisierten digitalen Welt.
Was passiert mit unseren Daten, wenn wir unsere Souveränität vernachlässigen und proprietäre KIs auf ausländischen Plattformen lernen lassen? Sollten wir Large Language Models (LLMs) lokal in der Schweiz trainieren? Welche Implikationen hätte das auf den Energiehaushalt des Landes? Wie bekommen wir die Skaleneffekte und Dynamiken hin, die für derlei Systeme erforderlich wären? Hätte die neutrale Schweiz durch den Betrieb unabhängiger KIs einen signifikanten Standortvorteil?
Die Frage ist nicht, ob die KI-Revolution kommen wird, sondern wie wir sie gestalten. Ist die Schweiz wie in so vielen anderen innovativen Bereichen prädestiniert, eine Führungsrolle einzunehmen?
Nach unzähligen Gesprächen mit Fachleuten, Vorträgen und Konferenzen in diesem Jahr teilen wir hier die prävalentesten Fragen und den Stand der Diskussion mit Ihnen. Kommen Sie mit uns ins Gespräch!
Energiebedarf und Umweltauswirkungen
Das Trainieren von KIs ist extrem energieintensiv – etwa vergleichbar mit dem Mining von Kryptowährungen. Wenn sich die Schweiz entscheidet, Modelle mehrheitlich lokal zu trainieren, würde das den Energieverbrauch des Landes erheblich steigern. Obwohl unser Land bereits einen hohen Anteil erneuerbarer Energien nutzt, wäre ein Ausbau unserer Infrastruktur unvermeidlich, um die notwendige Rechenleistung bereitzustellen.
Datensouveränität: Ein zweischneidiges Schwert
Eines der Hauptargumente für das lokale Training von LLMs sind Kontrolle und Sicherheit der Daten. Wenn wir proprietären KIs auf gängigen Plattformen der Hyperscaler vertrauen, übergeben wir potenziell auch unsere Datenhoheit. Der Gesetzgeber ist einfach noch nicht so weit, die Implikationen dieser Mechaniken regulatorisch kompensieren zu können. Zudem kann sich unsere Wirtschaft eine solche Verzögerung kaum leisten. Dies wird nicht zuletzt die Privatsphäre der Schweizer Bürger und die Sicherheit sensibler Unternehmensinformationen gefährden.
Skaleneffekte und die Schwierigkeit mit den Spitzenlasten
Sowohl für Infrastrukturanbieter als auch für Investoren dürfte ein lokales Training kaum ökonomisch aufgehen. Die Besonderheit beim Training von KI-Modellen ist nicht nur der hohe Ressourcen- und Energieverbrauch, sondern auch das spezifische Muster dieses Verbrauchs mit seinen astronomischen Amplituden während der Trainingsphase.
Sobald das LLM auf dem produktiven Stand ist, fällt das Niveau auf das des erheblich niedrigeren Inferenzmodus. Dies führt zu einem Zyklus von extremen Spitzen und Tälern im Ressourcenbedarf – eine teure und ineffiziente Nutzung der Infrastruktur.
Die Herausforderung für die Schweiz besteht darin, diese flüchtigen Spitzenlasten effizient handzuhaben. Hyperscaler sind dazu bereits heute in der Lage, bringen aber ihre einschlägigen Nachteile mit sich. Eine Möglichkeit wäre, ein flexibles Netzwerk aus Schweizer Rechenzentren, Cloud- und Managed-Service-Providern zu schaffen, das sich schnell an dynamische Anforderungen anpasst. Kooperative Modelle, bei denen Universitäten, Unternehmen und Startups ihre Ressourcen kombinieren und bündeln, würden dazu beitragen, diese Spitzenlasten und kommerzielle Risiken abzufangen.
Kombiniert mit smarten Geschäftsmodellen könnten die relativierten Kosten durch den Mehrwert gerechtfertigt sein, der durch spezialisierte Modelle entsteht, wenn diese auf schweizerische Bedürfnisse in Bereichen wie Finanzdienstleistungen, Gesundheitswesen und Logistik zugeschnitten sind.
Eins ist sicher. Die Verantwortung, die Schweiz in der KI-Revolution optimal zu positionieren, liegt bei uns. Gestalten wir sie gemeinsam.